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In den Spessart (Jahresausflug
30.5.-1.6.2002)
"Bitte nicht in den Bus einsteigen!"
verkündet Reiseführer Helmut Rausch, wobei er sich
demonstrativ vor den hinteren Einstieg stellt; den vorderen
bewacht Mehmet, unser Fahrer. Wir hatten am Samstag, dem
dritten Tag unseres Vereinsausfluges, eine Stunde lang mit
dem Motorschiff "Mozart" den Main befahren, dann unter
fachkundiger Führung durch schattige Gässchen den Stadtkern
von Wertheim besichtigt und freuten uns schon auf Bronnbach,
die letzte Station der Reise, um uns dort am kühlen Gebrauten
aus den kalten Kellern der Zisterzienser-Abtei zu laben -
statt dessen 'Einstiegsverbot'.
Zum Glück währte die Folter nicht
lange. Ein Pferdegespann mit Planwagen bog um die Ecke, dann
noch eins und noch eins, sie kamen, uns abzuholen. So fuhren
wir auf harten Holzbänken statt bequemen Polstersitzen, dafür
aber zünftig, über die Tauberbrücke mit Blick auf die
malerischen Fischerhäuser, durch grüne Felder und Auen das
liebliche Taubertal aufwärts. Durststillendes hatte der
Kutscher gleich mitgebracht, es musste niemand leiden. Die
Welt war wieder in Ordnung und Helmuts Überraschung voll
gelungen.
Pferdegespanne mit Planwagen fahren das liebliche
Taubertal aufwärts
Bei sonnigem Wetter waren wir am
Donnerstag frühmorgens nach Veitshöchheim gestartet, wo uns
Peter Rupp durch den berühmten Rokoko-Garten der Würzburger
Fürstbischöfe führte. Dieser Garten gilt noch heute als einer
der schönsten seiner Art in Europa.
Im Rahmen eines Bildprogrammes aus
barocker Vorstellungswelt sind griechische Gottheiten,
Personifikationen, Allegorien oder Tierdarstellungen den drei
Regionen des Gartens, Wald-, Lauben- und Seenregion
zugeordnet.
Nach der Führung durch den
Rokoko-Garten hatten wir eine Stärkung verdient; unser
Reiseleiter Helmut hatte dafür vorsorglich ein
Weißwurst-Frühstück in der 'Blauen Traube' organisiert. Ab
jetzt fuhren wir froh gestimmt weiter zum Naturlehrpfad im
Naturschutzgebiet "Romberg" bei Lohr am Main.
Herr Schönberg, ein begeisterter
Kenner von Fauna und Flora des Romberges, führte einige, an
die Bedürfnisse der Sandboden-Fluren angepasste, besondere
Pflanzen, wie Grasnelke oder Vogelfuß, auch Tiere vor. So
zeigte er Standorte des Ameisenlöwen, für den er ein paar
Kellerasseln mitgebracht hatte, die der Räuber unter der Erde
auch prompt in seiner Sandkrater-Falle als Beute in die Tiefe
zog.
Auf der Strecke zum gemütlichen
Standquartier in Heigenbrücken, einem von Mischwald umgebenen
Straßendorf, wollten wir noch einen in der Landkarte
eingetragenen kleinen See besuchen, verfehlten jedoch die
Zufahrt. Durch Natur geschützt hatte er seinen Zugang und
sich den suchenden Augen unserer Späher entzogen. Ersatzweise
unternahmen wir eine kurze Wanderung durch eine grüne,
beiderseits von dichtem Mischwald gesäumte Talaue mit hohem
Gras, Schilf und einzeln stehenden, weit ausladenden,
halbkugelförmig gewachsenen Öhrchen-Weiden. In der Kulisse
fehlte nur noch ein Rehbock oder ein kapitaler Hirsch.
Eine Viertelstunde später erreichten
wir das Tagesziel, den im Tal der Lohr liegenden Landgasthof
'Hochspessart', bezogen die Zimmer und genossen dann vor dem
Haus im Schatten von Sonnenschirmen Eis oder kühlende
Getränke. Vor und nach dem Abendessen wurden zur Erkundung
der Umgebung noch kurze Wanderungen in kleinen Gruppen
talaufwärts in das Naturschutzgebiet 'Spessartwiesen' oder
zum Ortskern unternommen.
Am Freitag führt uns Oskar Salk, Mitarbeiter der
Gemeindeverwaltung von Weibersbrunn durch das
Naturschutzgebiet "Rohrberg" im Hochspessart. Er ist einer
der 19 speziell für den Spessart ausgebildeten Natur- und
Landschaftsführer. Ohne ihn wäre uns die Vielfalt des
Spessart verborgen geblieben. Unterwegs zeigte er uns Reste
des ehemaligen Bewässerungssystems, bei dem über Rinnen aus
halben Baumstämmen und gemauerten, kleinen Kanälen das
Bachwasser am Hang entlanggeführt wurde. Auf diese Weise
konnte der Ertrag der sonst kargen, wenig ergiebigen Böden
verbessert werden.
Im Naturschutzgebiet "Rohrberg" im Hochspessart
sehen Sie
Jahrhunderte alte knorrige Eichenriesen
Jahrhunderte war der Spessart
unbewohnt. Über seine Höhen verläuft später eine alte
Handelsstraße, der Eselsweg, über ihn transportierte man
einst auf Eselsrücken das Salz aus Bad Orb 90 Kilometer weit
nach Miltenberg, wo es auf Schiffe verladen wurde. Um
Rohrbrunn stehen die am schönsten gewachsenen Eichen Europas,
von einmaliger Größe und Seltenheit. Im Naturschutzgebiet
'Rohrberg' und 'Metzger' sind es rund 400 Eichen im
durchschnittlichen Alter von 700 Jahren. Ihr Wert geht in die
Milliarden!
Buche und Eiche sind die Bäume der
Region. Doch Mitte des 18. Jahrhunderts führte ein Förster
namens Sartor dort die schnell wachsende Fichte ein. Zuvor
hatten die Glasmacher den Baumbestand schon stark gelichtet,
um Schmelzenergie zu gewinnen. Wir sehen Plätze von
Kohlenmeilern, die es hier früher gab. Heute überlässt man am
Rohrberg Bäume dem Kreislauf der Natur, lässt sie liegen, wie
sie fielen. Wir sehen ausgehöhlte, bemooste Baumriesen, deren
Durchmesser einen dreiviertel Meter betragen mag, von Wind
und Wetter gefällt. Schwefelporlinge - goldgelbe Schwämme -
zieren vermodernde Stämme. Bis zwei Meter hohe Adlerfarne
umgeben sie, als wollten diese die gefallenen Riesen noch
gnädig schützend verbergen. Hier wachsen Bärlauch und
Waldmeister, der das Nervengift 'Cumaren' enthält.
Weiter führt unser Weg durch den
Spessart, hin zum vielgepriesenen Hafenlohrtal. Über die
Höhen und an den Hängen entlang der Kerbtäler führt die
Straße durch Schluchten von schattenspendendem Laubwald,
wechselnd mit lieblichen Talauen, in denen sich zwischen
hohen Laubbäumen ein klares Wasser führendes Bächlein durch
das Landschaftsschutzgebiet schlängelt. Die Gegend ist dünn
besiedelt. Talabwärts, in Fahrtrichtung rechts steht ein
einsames Haus auf der anderen Seite des Tales. Plötzlich
bremst unser Fahrer, biegt ab, überquert auf einer schmalen,
steinernen Brücke das Bächlein, hält vor dem Haus, was gerade
noch so weit entfernt schien. Wir sind am Gasthof 'Hoher
Knuck' angelangt, der zum Ort Lichtenau gehört und wo eine
zünftige Frühschoppen-Brotzeit bereit steht. Unter einem
überdachten Freisitz nehmen wir sie ein, löschen den Durst
mit Fassbier, Apfelmost oder Frankenwein. Im urigen Gästeraum
des Lokals, der Spessartstube, steht ein Kachelofen aus dem
16. Jahrhundert.
Gestärkt und gut gelaunt verlassen wir
die gastliche Stätte, an der wir gerne länger verweilt
hätten, um weiter zu einer im 15. Jahrhundert für einen
kurmainzischen Forstmeister erbauten Burganlage zu fahren.
Peter Echter, der Vater des hier geborenen und später
berühmten Würzburger Fürstbischofs Julius Echter hatte sie zu
einem Wasserschloss im Renaissance-Stil umgebaut -
Mespelbrunn - als ‘Märchenschloss des Spessarts’ weltbekannt. |
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Schloss Mespelbrunn - als ‘Märchenschloss des Spessarts’
weltbekannt.
Vorbei an einem Gasthof 'Wirtshaus im
Spessart' verlassen wir ungern den romantischen Bereich um das
Schloss Mespelbrunn. Durch die Allee alter Eichen kehren wir
dann zum Bus und zum Standort zurück.
Im Anschluss an das reichhaltige
Abendessen mit Suppe, Hauptgericht und Nachspeise unternahmen
die meisten von uns noch einen Verdauungsspaziergang. Einige
Unermüdliche konnten dann am neu erbauten Gasthof 'Zum
Bahnhof' nicht ohne Inspektion des Lokales und seiner
Getränkekarte vorbei.
Nach dem Frühstück war Koffer einladen angesagt. Zum
Schluss unternehmen wir noch eine Wanderung durch die
Spessartwiesen, dann müssen wir die gastliche Stätte schon
wieder verlassen.
Wir fahren noch Kilometer weit durch
tunnelartige, schattenspendende Röhren der Spessart-Wälder.
Von der Autobahn bei Weibersbrunn haben wir noch Ausblicke auf
tiefe Kerbtäler und deren bewaldete Abhänge. Bei
Marktheidenfeld verlassen wir die schnelle Strecke und biegen
hinab ins liebliche Tal des Mains, den wir in Kreuzwertheim am
rechten Ufer des Flusses erreichen; über der Brücke sind wir
dann am Ziel Wertheim, an der Mündung der Tauber die dort
ihren guten Namen aufgeben muss.
Während wir am Parkplatz beim schiefen
Turm, in dem einst Gefangene unter einer Zwischendecke
verschmachteten, eintreffen, liegt unser Schiff, die 'Mozart',
schon am Main-Ufer,
darauf wartend, uns vom Wasser aus die interessante
Landschaft entlang des Flusses zu zeigen.
Diese Absicht gelingt vollkommen. Bei
bestem Sommerwetter gleiten wir fast lautlos dahin. Die
Burgruine zeigt sich vom Schiff aus im besten Licht, ohne
Sichtbehinderung, ebenso die Kulisse der Stadt. Rotraut Völlm
entdeckt vom Vordeck aus im Auwald am Fluss mehrmals eine
Nachtigall, Enten mit Jungen schwimmen am Ufer entlang,
gelegentlich steigt unerwartet ein Graureiher auf. Außer uns
sind nur wenige Fahrgäste mit an Bord, so hat ein Teil unserer
Gruppe auf dem Oberdeck, der 'Loge', einen Platz gefunden.
Viel zu schnell ist die Flussfahrt vorüber. Bis wir wieder
festen Boden unter den Füßen haben, erwarten uns schon Frau
Wolf und ihr Kollege. Sie zeigten uns Wertheim und berichteten
aus der Geschichte des
malerischen Städtchens.
Lagebedingt kommt das Städtchen nicht
selten durch Hochwasser arg in Bedrängnis. An vielen Häusern
konnten wir im Rahmen der Stadtführung Hochwassermarken aus
drei Jahrhunderten sehen. Je nach Lage im Stadtkern sind zwei
Meter und höher keine Seltenheit.
Wir sahen an Staffelgiebeln
'Neidtöpfe', das alte Rathaus und das 'Blaue Haus', eine
Schöpfung der Neuzeit; Wappen der Tuchmacher und besuchten das
Gerberviertel. Vom Kittsteintor aus genießen wir einen Blick
auf die Stiftskirche und nach oben am Hang zur Burg, dem
einstigen Sitz der Grafen von Wertheim.
In der Rittergasse befindet sich die
'Hofhaltung', bis 1781 Sitz der fürstlichen Linie
Wertheim-Löwenstein-Rosenberg mit dem prächtigen Barockportal
und dem Wappen des Fürsten Carl zu Löwenstein-Wertheim.
Passend zur Funktion der historischen Stätte befindet sich
heute darin die Verwaltung von Wertheim. Unser Rundgang endet
am 36 Meter hohen 'Spitzen Turm', dessen Mauern im unteren
Bereich zwei Meter dick sind; er wurde um 1200 als Wach- und
Aussichtsturm errichtet und ist Teil der Stadtbefestigung mit
ihren 18 Türmen und Toren.
Angekommen in Bronnbach, besichtigen
wir das Zisterzienser-Kloster, dessen Gründung von Maulbronn
ausging. Sein Halbtonnen-Gewölbe ist einmalig in Deutschland;
Teile der Anlage wurden im dreißigjährigen Krieg von den
Schweden zerstört. Sehenswert ist der Kreuzgang; von den
Innenräumen ist der Josefssaal und der grüne Saal, in dem
alljährlich Konzerte stattfinden, besonders in Erinnerung
geblieben.
Zum Abschluss nehmen wir bei bestem
Sommerwetter im Garten des Bronnbacher Klosters, unter
mächtigen, schattenspendenden Bäumen, noch ein herzhaftes
fränkisches Vesper ein, bevor wir endgültig den Heimweg über
Tauberbischofsheim antreten.
Unterwegs gewinnt das Ehepaar
Falkenmayer vom Fahrer Mehmet noch eine Flasche Sekt. Wie
immer unterhielt uns unterwegs Rotraut Völlm mit interessanten
Einzelheiten über Fauna und Flora, wie über lustige
Begebenheiten - Rotraut, wir danken Dir.
Drei schöne, erholsame Tage ohne Stress
und ohne Hektik haben wir verbracht, die Helga und Helmut
Rausch wieder präzise vorbereitet hatten. Die Reise war für
alle ein Erlebnis. Dafür danken wir euch, liebe Helga, lieber
Helmut; auch dem Fahrer Mehmet, der Vorstandschaft für ihre
Unterstützung, sowie allen, die zum Gelingen beigetragen
haben.
GS
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